29. Juni 1966
Heute morgen erhielt ich den Brief eines kleinen Mädchens, das mich fragt: "Was ist Bewusstsein? Ich habe meine Lehrer gefragt; sie haben geantwortet, das sei sehr schwer zu erklären!" (Mutter lacht) Nun fragt sie mich. Und seit sie mich das gefragt hat, schaue ich. Wie kann man es ausdrücken? Weißt du vielleicht, wie man das erklären kann? Denn man gebraucht Worte, die gar nichts aussagen.
Nicht schlecht!
Ich habe folgendes gefunden: Es ist die Ursache der Existenz - Ursache und Wirkung zugleich. Aber das ist es noch nicht. Deine Erklärung ist poetischer, literarischer, aber ich bin trotzdem nicht sicher, ob es das ist.
Ja. Wenn man sagen würde: "Ohne Bewusstsein keine Welt", so ist das viel wahrer, aber das erklärt es nicht. Das war meine erste Reaktion: ohne Bewusstsein keine Welt und keine Existenz.
Nicht schlecht. Das müssen wir aufschreiben!
Ich muss diesem Kind antworten.
Ja, und mit diesen Abstraktionen gebraucht man Worte, die etwas anderes bedeuten, das ist alles.
Ohne Bewusstsein kann man überhaupt nicht empfinden. Das Bewusstsein ist tatsächlich die Basis aller Dinge. (Mutter betrachtet den Brief des Kindes und reicht ihn Satprem)
Ohne Bewusstsein kein Dasein, das ist vollkommen wahr, doch das erklärt nicht, was Bewusstsein ist. Aber deine Erklärung ist jedenfalls ziemlich poetisch. In der indischen Philosophie kommt die Existenz vor dem Bewusstsein. Sie sagen: Sat-Chit-Ananda [[Sat-Chit-Ananda: Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit ]]. Wenn wir also sagen: Chit-Sat-Ananda... stimmt das nicht.
Aber ist das Feuer Bewusstsein?
Aber als ich diese Erfahrung von den Pulsationen der Liebe hatte, die die Welt erschufen, war die Pulsation zuerst da, und erst danach das Bewusstsein - das Bewusstsein der Pulsation. Das heißt, man könnte es so definieren: Als das... das... (ich weiß nie, welches Wort ich gebrauchen soll!) sich Seiner Selbst bewusst wurde, erschuf es die Welt.
Ja, Tapas, das ist die Macht.
Nein, Tapas ist die Macht.
Man sagt: Sat, Chit-Tapas, Ananda. Sie bringen Chit-Tapas zusammen. Und zwar zuerst Chit, dann Tapas. Das ist die schöpferische Kraft des Bewusstseins.
Auf jeden Fall ist dies sehr unphilosophisch. Es so auszudrücken, ist sehr kindlich, und doch ist es viel wahrer als die metaphysischen Phrasen: Als der Herr sich Seiner Selbst bewusst wurde, erschuf das die Welt. Schreiben wir also deine Definition für die Kleine auf.
(Mutter lacht und schreibt:)
"Als der Herr sich Seiner Selbst bewusst wurde, erschuf das die Welt." Und jetzt das zweite. Du bist an der Reihe!
Nein, nein! Lass es mich hören.
Aber wenn ich "Feuer" sage, werden sie sofort sagen: "Aha! Bewusstsein ist also Feuer!"
(Mutter schreibt:)
"Bewusstsein ist der Atem, der das Leben von allem ist." Nein...
"der alles zum Leben erweckt." Verstehst du, das wird von Klasse zu Klasse gehen, durch die ganze Schule. (Lachend) Ich weiß schon, was passieren wird.
"Bewusstsein ist der Atem, der alles zum Leben erweckt." So! Sie hat Glück, die Kleine. Kinder sind amüsant!
***
(Wenig später betrachtet Mutter einen Stapel englischer Texte, die ins Französische übersetzt werden müssen) Es wäre viel leichter, wenn diese Sachen in großen Buchstaben geschrieben wären... Das mit meinen Augen ist schade... Ich verliere viel Zeit dadurch. Ich bin gezwungen nachzufragen oder muss eine Lupe nehmen. Was ich früher in drei Minuten erledigen konnte, dazu brauche ich heute eine halbe Stunde. Aber um meine Sicht wiederzugewinnen (das wäre möglich, es ist nichts beschädigt, nur abgenutzt), müsste ich viel Zeit darauf verwenden: Übungen, Konzentrationen... Ich habe nicht die Zeit dazu. Aber wie prompt das Bewusstsein doch war, als ich noch sehen konnte!... Mit den Augen der anderen finde ich nichts. Es war so praktisch. Nun... Man muss Geduld haben. Es nützt nichts zu jammern. Entweder ich unternehme etwas, oder ich kümmere mich nicht darum. Und ich habe keine Zeit, etwas zu unternehmen, also warte ich darauf, dass mir das Sehen wiedergegeben wird.
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ISBN 3-920083-07-2
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